FRONT ROW
von Antonio Lilliu

Die Autarkie des GLAMOURS.
Dass die Mode Industrie seit Jahren einer fortlaufenden Rezession ausgesetzt ist, ist Fakt. Die neuesten Walzer um die Kreativ-Director’s Sessel von Brioni, Zegna und Givenchy, die Spekulationen über die Chef-Designer Position bei St. Laurent, sowie die Ankündigungen über die künftige Verkaufsstrategie “See-now-buy-now“ von Burberry und Tom Ford, offenbaren auffälliger denn je die hektische Suche bei allen führenden Modehäusern nach einem Deus-ex-Machina, dem der Luxus-Welt neuen Glanz verlieht.
Die Strategien in dem Mode-Markt sind zunehmend von kurzer Dauer, wobei die CCO der und CEO immer weniger Zeit zur Verfügung haben, signifikante Ergebnisse zu bringen. Mit der Entstehung der digitalen Ökonomie begannen die Schließungen im Wholesale-Geschäft in schwindelerregendem Tempo, parallel zu der Verbreitung von Online-Shops. Die Expansion im Monomarken-Retail schien für eine Weile als ideale Lösung, um die Umsatzverluste einzudämmen. Zara, Mango und H & M von notorischen Sündenböcken des exklusiven Markt-Segmentes errungen in weniger Jahren den Status von „Modemarken“, zumindest bei ihrer treuen Kundschaft. Großen Maison betrachten heute, paradoxerweise, als Tribut, von Zara und H&M kopiert zu werden, wenn sie nicht direkt eine Kapsel-Kollektion für solchen Einzelhandelsmarktführer entwerfen. Denn die Mitbewerber von Modemarken heißen heute Apple, Hiway, Booking-on-line.com, usw und so fort!
Sollten wir tatsächlich an eine angebliche Mode-Müdigkeit der westlichen Gesellschaften Glauben schenken? Die Konsumsättigung für unabwendbar halten? Dass Einsparungsprunk politisch korrekter als Exklusivität geworden ist: kann man noch mit gutem Gewissen an den Hunger auf der Welt denken, wenn man ein kleines Vermögen für ein Kleidungsstück ausgibt? Streng gesehen, nicht mit schlechterem Gewissen als wenn man auf Einkaufs-Tour bei H&M und Hermés gleichzeitig ist.
Ein solches Puzzle beschäftigt unaufhörlich eine Armee von Brand-Manager, Einkäufer, Moderedakteure, Werbung-Verkäufer, Soziologen, Ökonomen, von den Verbrauchern ganz zu schweigen, deren Kaufverhalten zunehmend wählerischer wird.
Marlene Dietrich hatte in einem Interview gesagt: "Ich Kleide mich nicht für die Presse, nicht für die Männer, nicht für mich selbst. Ich tue es für mein Image: Glamour ist meine Handelsware."
Auf dem ersten Blick könnte man meinen, dass die Dietrich ihr eigenes Bild als reines Produkt, getrennt von ihrer wahren Persönlichkeit, sah. Marlene war eine hochintelligente Frau, eine gebildete, mutige, sensible, selbstbestimmte, extrovertierte, introspektive Perfektionistin; außerdem war sie diszipliniert, bodenständig, humorvoll und mit einem hochentwickelten ästhetischen Sinn begabt. Letztendlich war sie Schauspielerin, und daher nicht unbedingt aufrichtig. Mit dieser Aussage meinte sie einfach, sie betrachtete die Glamour-Puppenwelt von Hollywood auf keinen Fall als ihre wahre Heimat. Ihr Lebenswandel bestätigt diese Aussage. Worüber sie nichts erzählte, waren die Tage und Wochen die sie verbrachte mit Kostümdesignern (ihre Beziehung zu Travis Banton bildete eine wahre Wahlverwandtschaft!), auf der Suche nach Stoffen, Schleier, Federn, Spitzen, Stickereien, Pelze, Schmuck, und mit Make-up-Künstlern, Friseuren, Fotografen, Beleuchtung-Technikern, und später in den Ateliers von Schiaparelli, Dior, usw. und so fort. Produzenten und Regisseure aufgrund von Budget-Vorgaben teilten nicht immer ihr leidenschaftliches Perfektionismus für das eigene Image. Nach der Tiefenpsychologie von C. G. Jung bildet die Individuation den Prozess zum Selbstwerdung aller Menschenwesen. Während des gesamten Lebens werden Menschen immer mehr zu sich selbst finden; durch die Dialektik von Erfahrung, Unbewussten und Willen wird eine quasi formlose Materie immer ähnlicher zu dem Ich-Ideal, bis die Form letztendlich zum Inhalt wird.
Marlene verbrachte 90 Jahre, um das Mythos ihrer selbst zu werden, wobei sie zu einem bestimmten Zeitpunkt die Autarkie des Glamours entdeckte.
Es handelt sich um den authentischen Glamour, der sich um seine Selbstgenügsamkeit freut, jenseits der Applause des Publikums, der Begierde der Männer, des Neids der Frauen, dankbar für Bewunderung jedoch um Nichts schuldig dafür: kein zwanghafter Glamour, sondern das Ergebnis einer selbstbestimmten Entscheidung.
Die Antithese des Glamours ist der Karneval (in der Mode, auch!), mit seiner bewussten Wahl um eine Verkleidung, die einem die Befreiung von dem Alltag verspricht, sowie das Überwinden von engen Grenzen erlaubt. Einmal das Verbotene übertreten ohne Schuldgefühle und ohne Angst vor Strafen. So könnte sich die Freiheit anfühlen. Ein scheinbar armloses Spiel... solange man sich nicht zu viele Fragen stellt!!!
Der Weg, den Kunden dauerhaft zurückzugewinnen, ist für die Modewelt, die Authentizität von Glamour, Stil und Qualität neu zu entdecken, weil es nicht gleichgültig ist, eine Leavers-Spitze oder ein Stück Polyester zu tragen. Darüber hinaus heißt es auch den Kunden zu vermitteln, dass Still Authentizität bedeutet, weil er Kohärenz in Zeit und Raum darstellt.