FRONT ROW

von Antonio Lilliu

“Die ultimative Diva“: VALENTINA CORTESE

“Die ultimative Diva“: VALENTINA CORTESE

Mitte der 80er Jahren Franco Zeffirelli führte die Regie des Meisterwerks von Friedrich Schiller "Maria Stuart" mit zwei Prima Donnas des italienischen Theaters, Rossella Falk und Valentina Cortese, in der Rollen von Elisabeth I von England und Mary Stuart, Königin der Schotten. Damals studierte ich Fashion Business in Florenz, und leider hatte keine Chance, das Stück zu sehen, da die Eintrittskarten zum Teatro della Pergola Monate im Voraus ausverkauft waren.

Heute, über meine damalige Enttäuschung kann ich lächeln, aber damals als junger Man wusste ich nicht, dass das Leben immer eine zweite Chance gibt.

In den frühen 90er Jahren besuchte ich Wien, um dort die Weihnachtsferien zu verbringen: Wien ist nicht nur die katholischen Habsburger Metropole, und sorglose hedonistische Stadt der Walzer, sondern auch das "Vindobona", das römische Tor zur slawischen Welt, die noch heute die geheimnisvollste Kultur innerhalb Europas darstellt: eine Bühne wo unerwartetes sich plötzlich ereignen kann.

In Wien wird zum Neujahr der Abend im Theater verbracht. Also beschloss ich mit einem Freund, die "Lustige Witwe" am Volkstheater, einem von jenen Opernhäusern abseits der touristischen Itinerare, zu schauen. Während einer Pause zwischen zwei Akten sah ich in den ersten Reihen des Saals einen älteren Mann in Begleitung einer Weißgekleidete Dame:  Sie trug ein langes Kleid und einen Chinchillas Pelzmantel mit Schleppe gewickelt um den Körper wie eine Toga, und einen Schal gebunden hinter dem Kopf. Diese Erscheinung erinnerte mich an eine der Ikonen des italienischen Theaters.

Meine Neugier war so stark, dass ich einfach hingehen musste, um mich über die Identität der Dame zu vergewissern.  In der Zwischenzeit waren Sie und ihr Begleiter aufgestanden, um Richtung Foyer zu gehen.  Als ich sie vor mir hatte, war mein Ausruf so spontan, der sogar mich überraschte:

"Signora, Sie sind Valentina Cortese!!!"

Beim anheben ihre Augen mit der linken Hand hielt sie den Saum des Mantels, um mir ihre rechte Hand zu reichen: "Ja, ich bin‘s. Guten Abend... und wie ist Ihr Name?"

" Antonio".

" Sie sind Italiener. Nicht wahr?… Was für ein Zufall im selben Theater in Wien zu sein. Woher kommen Sie aus Italien? "

" Aus Sardinien."

"Ach, wissen Sie, ich liebe Sardinien!"

"Ich bin froh, denn ich sicher bin, dass die Sarden auch Sie aufrichtig lieben."

"Es ist sehr schön, was Sie sagen; Ich bin so glücklich, es zu hören."

Ich denke, dass ich mit Valentina Cortese Hand in Hand eine halbe Stunde geplaudert habe. Meine Augen waren einfach gefesselt auf ihre Figur. Sie war unglaublich schön: ich denke, dass ich nie eine Frau mit einem so hellen, frischen und klaren Haut gesehen habe, so perfekt wie eine Perle, solchen glänzenden Augen, sanftem Lächeln und mit der Haltung einer Madonna aus der Renaissance.

2010 veröffentlichte Enrico Groppali für den Verlag Mondadori die Biographie der Schauspielerin Rossella Falk, mit dem Untertitel „Die letzte Diva“. Sicherlich ist das italienische Theater reich an herausragenden weiblichen Persönlichkeiten wie Lida Borelli, Paola Borboni, Sarah Ferrati, Lilla Brignone, Ileana Ghione, Anna Proclemer, Valeria Moriconi und Franca Rame. Bei Schauspielerinnen geschieht das Gleiche wie mit den meisten römischen Kaisern, den nach dem Tod den Titel "Divus" durch den Senat erhielten, bevor sie in den römischen Olymp angenommen wurden.

Nur weniger Kaiser erhielten in den Lebzeiten vom Senat den Titel "Augustus", aufgrund des Verdienstes, die Welt im Einklang mit dem göttlichen Plan verändert zu haben. Frauen der römischen kaiserlichen Familien (die als Frauen keine offizielle politische Rolle anstreben konnten) bekamen extrem selten den Titel der "Augusta", und wenn überhaupt zusammen mit dem der "Mater Patriae" für ihre Unterstützung bei der Verewigung der Werte der römischen Kultur.

François Truffaut, Strehler, Luchino Visconti, Terry Gillian, Michelangelo Antonioni, Joseph Losey, Mankiewicz, Fellini und Robert Aldrich sind nur einige Film-und Theater-Regisseure mit den Valentina Cortese während einer erstaunlichen Karriere im Kino und auf der Bühne arbeitete. Geboren in der aristokratischste und mitteleuropäischste Stadt Italiens, Mailand, wuchs in einer Bauernfamilie, als vielversprechender Jungtalent der italienischen Komödien-Genre "Telefoni Bianchi" anfangs der 40er Jahre, kam sie nach Hollywood in den frühen 50er.

Heute ist es nahezu grotesk, Valentina Cortese in Hollywood neben Ava Gardner, Lana Turner, Joan Crawford, etc. sich vorzustellen. In der Tat enttäuscht von der amerikanischen Film-Industrie, ging sie zurück nach Italien, wo sie die Aufblüht-Zeit der italienischen Filmindustrie und des Theaters nach dem Weltkrieg erlebte. Bis heute ist Valentina Cortese eine authentische, offene, sensible Persönlichkeit geblieben, und gleichzeitig eine vielseitige Schauspielerin, so leidenschaftlich wie die wenigste, eine wahre Botschafterin des Landes auf höchstem Niveau.

Eine Persönlichkeit, vergleichbar nur mit Eleonora Duse, der "GÖTTLICHE" der italienischen Schauspielkunst schlechthin!  Ich bin sicher, wenn Valentina in der Kaiserzeit gelebt hätte, hätte sie den Titel der "AUGUSTA" vom Senat des römischen Volkes erhalten. Sie ist die „ultimative“ Diva, die bezeugt, dass der Wunder von Kunst, Intelligenz, Schönheit und Stil die Zeit transzendiert. Und dann... liebt sie die Mode? Eine Frau, die man sowohl in dem Mailänder "La Scala" ebenso wie in Wiens "Volkstheater" treffen kann, liebt Schönheit in all ihren Formen. Am Ende kommt es nur darauf an.

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