FRONT ROW

von Antonio Lilliu

MICAM Milan: Die 7 Sünden der Schuhhersteller

MICAM Milan: Die 7 Sünden der Schuhhersteller

Italienische Bekleidungshersteller beziehen sich immer noch gerne auf die Schuhproduzenten mit dem Namen "Scarpari", während diese den Modemarkt als "Cenci" bezeichnen, ein Begriff aus dem antiken toskanischen Dialekt, der im modernen Italienisch als Lappen klingt. Der Gebrauch solcher wenig schmeichelhaften Begriffe um Kollegen aus verwandten Branchen zeigt eine anhaltende Konkurrenz zwischen italienischen Herstellern von Bekleidung und Schuhen. Der Ursprung dieser Haltung ist, auf den Kämpf zwischen den mittelalterlichen Gilden für die politische Vorrangstellung in Städten wie Florenz, Genua und Venedig zurückzuführen.

Persönlich finde ich solche Antagonismen absolut veraltet, denn das eigentliche Problem in einer zunehmend globalisierten Welt ist nicht die Parteilichkeit, sondern wie die Interessengemeinschaft durch die Stärkung der kleinste gemeinsame Nenner am besten zu fördern ist: es ist hier die Rede über das "MADE IN ITALY" als USP der italienischen Industrie. Eine solche Anforderung schreit immer lauter nach einer Lösung, wenn man bedenkt die Vernachlässigung der italienischen Unternehmen in Sache Marketing. In der Tat noch viele Unternehmen setzen immer noch auf den Zufall, von internationalen Einkäufern entdeckt zu werden, welche ihre Produkte in ein der Schwellenländer des Augenblicks einführen würden. Zugegeben: Man kann in Italien qualitativ hervorragende Produkte anfertigen, aber die Umsetzung eine geeignete Distribution-Strategie lässt noch viel zu wünschen übrig.

1. Sünde: Produkt ist wichtig, die Marke ist Alles.

Das Aussterben der Bedarfskünden-Rasse führt in der westlichen Welt zur Marktsättigung. Die einzigen Bedürfnisse sind heute die Wünsche! Somit sind Produkteigenschaften wie "ausgezeichnete Handwerkskunst, Komfort, echtes Leder, sorgfältig ausgewählte Materialien, etc.“ keine Kaufmotivatoren mehr. Die einzige Möglichkeit, die Aufmerksamkeit des Kunden zu erwecken ist die Marke, die Welt von immateriellen Werten, welche die USP jeder Marke ausmacht. Auf der MICAM sah ich einige Produzenten von mit mittelmäßigen Produkten ständig von Kunden belagert, wobei zahlreiche andere mit exzellenten Produkten versuchten, aus lauter Langweile die Zeit tot zu schlagen.

2. Sünde: keine Mitte.

Jeden gefallen zu wollen führt oft zu dem Ergebnis, alle unglücklich zu machen. Markenaufbau sowie Kollektionserstellung setzen immer die Notwendigkeit voraus, Entscheidungen zu treffen, die natürlich mit Risiken verbunden sind. In Sache „Inkohärenz“ ist es mir bei der MICAM aufgefallen, das alle möglichen Modelle in der gleichen Kollektion präsent waren (Stilettos mit 14cm-Absätzen, Ballerinen, Sandalen, Flip-Flops, Reiterstiefel, Gladiator Stiefel, kurze Stiefel, Peep-Toe Stiefel, Chelsea, Pumps, etc.), sowie allen Farben und alle Ledervarianten. Den Main-Stream zu folgen kann eine vernünftige Strategie für weitverbreitete Marken sein, die sich das Risiko nicht leisten können, den Markt zu polarisieren. Für aufstrebende Hersteller die Herausforderung besteht darin, einen unverwechselbare Marke sowie einzigartige Produkte zu schaffen.

3. Sünde: eigene Kreativität.

Versprechen von Marketing und Marken müssen vom Produkt jederzeit gehalten werden. Kreativität bedeutet in erster Linie eine Vision über die Produktästhetik zu haben, dafür gibt es Fachleute wie Stylisten und Marken-Direktoren. Produktmanager sind Techniker und Vertriebs-Analysten: Wer Excel mit der Kollektionserstellung betraut, muss früher oder später dazu rechnen, sich vom Markt zu verabschieden. Wer kreative Inspirationen aus dem Internet herunterlädt oder Trendinformationen vom Fachbüros kauft, wird keine einzigartigen Kreationen auf den Markt bringen.

4. Sünde: der Luxus der Unsichtbarkeit.

Visibilität auf Fachmessen ist das erste Gebot zur Verkaufsförderung. Ich sah viele Produzenten regelrecht abgeschotteten innen einer drei Meter hohen Burg ohne Fenster, ohne Vitrinen, ohne Bilder aber mit einem Messestand-Eingang bewachtet wie ein Gefängnistor. Schwer zu glauben, dass ein solcher Messeauftritt neue Geschäftskontakte mit potentiellen Kunden wirklich fördern würde.

5. Sünde: “Look Inside of you” & verges’, was Andere tun!

Benchmarking ist ein Instrument für die korrekte Markt-Positionierung. Es zeigt, dass der Erfolg einer Marke letztendlich das Ergebnis einer Interaktion mit anderen Mitstreiter ist, welche auch eine komplementäre Funktion spielen kann. Soeben eine übermäßige Aufmerksamkeit auf die Konkurrenz kann die Echtheit der eigenen Marke auf Spiel setzen.

6. Sünde: Marktforschung.

Marktbedürfnisse zu erforschen ist sicherlich eine intelligente Haltung, noch klüger ist, Wünsche zu erwecken. Die Marketing-Literatur erzählt oft das Paradox des Verkaufs von Schuhen an Afrikaner... die ein solches Bedürfnis nie erlebten. Der Markt schreit nach nichts, aber er ist immer bereit, sich von authentischen Werten inspirieren zu lassen.

7. Sünde: Stolz und Vorurteil Made-in-Italy!

Kann sich jemals eine Tugend in einen Fluch verwandeln? Sie kann es; vor allem wenn Tugende zur Klischee werden.

Ist es wirklich notwendig, uns auf das Genie von Michelangelo und Leonardo ständig beziehen zu wollen, oder auf die Traviata, an die römischen Päpste Gönner der Künste, an die Pizza, Sophia Loren und "o‘ sole Mio", als ob die Zeit noch in der Vergangenheit stehen geblieben wäre? Es besteht heute ein dringender Bedarf solche Klischees zu erneuern, um zu beweisen, dass unser kultureller Erbe nicht in ein Museum-Land verbannt wurde, dass die italienische Kreativität noch lebt, und sie das Land in die Zukunft projiziert. Das wäre dann ein Land nicht nur für Touristen, sondern auch für echte Reisende, die verführt durch seine unwiderstehliche Schönheit auch beschließen könnten, in ihre Heimat nicht zurückkehren zu wollen…trotz netten Erinnerungen und vielleicht ein Paar Schuhe Made-in-Italy.

Zurück