FRONT ROW

von Antonio Lilliu

‘Unheimliche Begegnung der dritten Art‘: Der Trend UNISEX in der Mode!

Unheimliche Begegnung der 3. Art: Die UNISEX Mode!

‘Wenn ich aus der Vielzahl der Bücher, die 100 Jahre nach meinem Tod veröffentlicht werden, ein wählen dürfte, wissen Sie, welches ich mir aussuchen würde? ... Einfach ein Mode-Magazin, um zu sehen, wie sich Frauen kleiden ein Jahrhundert nachdem ich gegangen bin. Und diese Schleier werden mir über die zukünftige Menschheit viel mehr sagen, als alle Philosophen, Schriftsteller, Prediger, Gelehrte.‘

Anatole France (1844-1924)

Seit Anfang des Jahres das Thema der Unisex-Mode bestreitet der Markenfälschungen den Vorrang des Interesses der Mode-Experten und des Publikums durch alle Medien. Beide Themen sind von strategischer Bedeutung für die Industrie, und jedenfalls, mehr miteinander verbunden als es auf den ersten Blick auch scheinen mag: auf der einen Seite, gibt es ein Einnahmenverlust für die Bekleidungsindustrie von 85.000 Millionen Euro nur in der Europäischen Union, und fast 350 Milliarden Euro weltweit (2,5 Prozent des Welthandels) laut dem Bericht dargestellt in Paris von der OECD und dem Europäische Büro für geistiges Eigentum; andererseits, wenn die Kunden des neuen Jahrtausends die Unisex-Mode akzeptieren wurden, wird es eine Revolution sowohl in kultureller Hinsicht als auch in den Fertigungsprozessen stattfinden. Das konsequente Potential an Absatz- und Gewinnsteigerung wären für die engagiertesten Unternehmen schlichtweg enorm.

Die Provokation des Unisex Modetrends erreichte seinen Höhepunkt mit der Präsentation der ersten Gucci’s Kollektion unter der Kreativ-Leitung von Alessandro Michele, als viele Meinungsbildner mit authentischer Begeisterung reagierten, und andere mit bestürzter Empörung. Diese Spaltung bestätigt letzendlich das Gleichnis, welches Anatole France heute faszinieren würde, wenn er unsere Modezeitschriften durchsuchen würde, um die turbulente Gesellschaften zu Beginn des zweiten Jahrtausends zu verstehen.

Anatole würde vor allem beeindruckt, dass alternde Gesellschaften, wie unsere, nicht unbedingt die Jugend in dem prachtvollsten Alter zwischen 18 und 28 Jahre idealisieren, sondern die Pubertät. Typen wie Cara Delevigne, Miley Cyrus und eine Vielzahl von 13-jährigen oder kaum ältere Models, gehalten von Anorexie und Photoshop in einem Zustand der ewigen Pubertät, sind die Botschafterinnen der neuen ideale von Schönheit und Eleganz, die idealerweise einen Kundin über 40 ansprechen sollen. Ein Mann wie Anatole France, Zeitgenossen der göttlichen Sarah Bernard, der die prächtige Schönheit der Königin Alexandra von England sowie die majestätische Queen Mary erlebte, der die Chance hatte, Mata Hari auf der Bühne zu sehen, und die atemberaubende Schönheit der Garbo in ihren frühen Stummfilmen zu bewundern, wäre durch unsere unbeeindruckende Schönheiten vielleicht enttäuscht.  Ausgehungerte Gesichte, anämisches Teint, unreife Brüste und Hüften, knochige Beine und dünnes Haar sind, nicht unbedingt, jedermanns Sache.

Ein Soziologe würde sich natürlich fragen, ob dies wieder eine Jugend-Reaktion auf den Druck und den Repressionen der vorherigen Generation sein könnte. Genauso wie es in den späten ‘60er Jahren geschah, als die Studenten-Revolution, die Hippies und das Swinging London mit "SEX, DROGEN und ROCK 'N ROLL" eine alternative Lebensweise auf die imperialistische Politik und bürgerliche Mentalität ihrer Eltern propagierten.

Die Realität des neuen Schönheiten ist aber weit prosaischer: Unzählige Interviews zeigen, dass die neuen Supermodels keinen Alkohol trinken, sie nahmen nie LSD und Amphetamine, sie nicht mal rauchen, Sport treiben (wer hätte es gesagt!), schlafen mindestens 8 Stunden am Tag, sie ernähren sich nach der mediterranen oder kohlenhydratarmen Diät (denn Sie wissen ja, Kohlenhydrate sind das neue Fett, und Fette sind schlecht für Arterien), einige sind Zöliakie, und viele ließen sorgfältige Eltern bereits im Kinderalter nach Unverträglichkeiten untersuchen (…Du Liebe, gib bitte Tatiana keine Pfau, sie ist danach noch nicht untersucht worden. Sie hatte ein wenig Reaktion auf Erdbeere, und dabei ist es nie Vorsicht genug!); für die moralische Unterstützung bei dem Karrieren-Start bedanken Sie sich ständig und aufrichtig bei ihren Eltern, die sie zwischen einem Shooting und dem anderen besuchen. Im Moment sind sie Solo aber träumen von einer eigenen Familie, als biologische Mütter, aber auch mit adoptierten Kindern, möglicherweise auf einem Bauernhof, weil sie sich stark naturverbunden fühlen. Welche Schönheitsideale begeistern sie? Audrey Hepburn! (es ist immer eine gute Standard-Option... gefragt nach einem Schönheit-Ideal, im Zweifelsfall, sagen Sie immer Audrey... dabei kann man nie falsch sein: in der Tat war sie so süß im “Frühstück bei Tiffany“!). Kurz gesagt, spätesten hier wird es sogar Anatole France schlau, dass diese Schönheiten nichts gemeinsam mit Cher, Janice Joplin und Marianne Faithfull haben. 

Ebenso sind die neue Männer Lichtjahre entfernt von den Rebellen a la‘ Ringo Star, David Bowe und Mick Jagger. Verbannt wurden gesunde Gesichter a la' Tom Cruise und Brad Pitt, und männliche Körper wie Dwayne Johnson, aka "The Rock": die neue männliche ideale sind die hässliche Entenküken, die höchstens die Rolle der beste Freund des weiblichen Klassenkameraden anstreben können, sicherlich kein Prince Charming, da das männliche Ideal der Mädchen noch aus dem Archetyp des Vaters geschmiedet wird..., ein Vater der aus der Tom Cruise‘, Brad Pitt‘ und Ken‘ Ära (doch,…der von Barbie! ) stammt. Ein Volk von traurigen Jugendlichen mit übergroßen kurzsichtigen Gläsern, skinny Bodies und langen Ponys, um die offensichtlichen Schüchternheit auszublenden.

Wenn die Mädchen die ödipale Beziehung mit ihren Müttern erfolgreich bestanden haben, scheinen diese Jungs keinen Vater gehabt zu haben. In der Tat, um zu lernen, sich selbst als Mann zu lieben, besteht die wichtigste Erfahrung im Leben eines Mannes darin, die Liebe zu einem anderen Mann, seine Wertschätzung, seine Akzeptanz, Bewunderung sogar erfahren zu haben – nämlich von dem ersten Mann im Leben jedes Mannes, der Vater. Dies ist natürlich die ideale Situation für die Entwicklung der männlichen Identität, jenseits jeder sexuellen Orientierung, die man früher oder später wählen wird. In wenig glücklichen Umständen wird der Weg zur Selbstwerdung härter, aber das Leben bietet immer anderen Möglichkeiten, jedoch leider keine Abkürzung.

Coco Chanel hat einmal gesagt: ‘Frauen werden nicht als solche geboren, sie werden eine‘... eine große Wahrheit die auch auf Männer zutrifft. Das Thema der Geschlechtslosigkeit als neuester Mode-Trend untermauert im übrigens eine wesentliche Aussage: Männer wollen nicht die Möglichkeit aufgeben, genauso schön und auffällig wie die Frauen zu sein. Zu einer relativ unscheinbaren Rolle, natürlich in modischer Hinsicht, wurden Männer erst Anfang des 19. Jahrhundert gezwungen. So ist die aktuelle Rederei über "Geschlechts-Freiheit" wie die Fabel des Schweinchens, das nie aufhörte zu rufen ‘Hilfe... der Wolf, der Wolf!‘ ... und wenn der Wolf tatsächlich kommt, wird niemand ihm zum Helfen eilen!

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